§. 6.

Ausführliche Beschreibung der Hauptstadt Alexandria und einiger Nachbarorte, von §. 6 bis 10; zuvörderst in §. 6 Messungen der Küstenlänge Aegyptens, dann Beschreibung der Insel Pharos und ihres Leuchtthurms; sodann des doppelten Hafens. Befestigung desselben und des Fleckens Rhakotis gegen die zudringlichen Ausländer. Alexander gründet die Stadt unter günstigen Vorbedeutungen.

Weil aber der meiste und wichtigste Theil dieser Beschreibung Alexandreia ist, und was umherliegt, so müssen wir mit ihr beginnen. Die Küste demnach hält den von Pelusion gegen Abend Schiffenden bis zur Kanobischen Mündung etwa tausend und dreihundert Stadien, welche Weite wir auch des Delta Grundlinie nannten; von hier aber zur Insel Pharos sind noch andere hundert und fünfzig. Pharos aber ist eine längliche, dem Festlande fast anhängende und mit diesem einen doppelmündigen Hafen bildende Insel. Denn das zwei Landspitzen ins Meer vorstreckende Küstenufer ist gebuchtet, und zwischen Beiden liegt die den Busen schliessende Insel, welchem sie in ihrer Länge entgegengestreckt ist. Das östliche Ende von Pharos kommt dem Festlande und seiner Landspitze näher. Diese Landspitze heisst Lochias, und macht den Hafen engmündig; aber ausser der Beengtheit des Zwischensundes sind auch theils untermeerige theils hervorragende Klippen, welche immerfort die aus dem Meere eindringende Spülflut in Brandung setzen. Und auch selbst der Insel Ende ist ein umspülter Felsen mit einem der Insel gleichnamigen, mit vielen Deckgebälken wundervoll gebaueten Thurme aus weissem Stein. Ihn errichtete der den Königen befreundete Sostratos der Knidier zur Rettung der Schiffenden, wie die Aufschrift sagt: Sostratos der Knidier, des Dexiphanes Sohn, den rettenden Göttern für die Schiffenden. Denn da die Küste beiderseits hafenlos und flach ist, auch Klippenriffe und Untiefen hat, so bedurften die vom Meere Heranschiffenden eines hohen und leuchtenden Zeichens, um des Hafens Einfahrt genau zu treffen. Auch die westliche Mündung ist nicht leicht zugänglich, jedoch bedarf sie nicht so grosser Vorsicht. Sie bildet aber gleichfalls einen Hafen, welcher der Hafen Ennostu, d. i. der glücklichen Rückkehr, heisst; dieser liegt vor dem gegrabenen und geschlossenen Hafen. Jener am erwähnten Thurme auf Pharos die Einfahrt habende ist der Grosse Hafen; diese andern, durch den Heptastadion heissenden Damm von jenem geschiedenen, liegen in der Vertiefung zusammenhängend daneben; der Damm aber ist eine vom Festlande zur Insel gegen ihren westlichen Theil sich erstreckende Brücke, welche nur zwei gleichfalls überbrückte Durchfahrten zum Hafen Ennostu übrig lässt. Jedoch war dieses Werk nicht nur eine Brücke zur Insel, sondern zugleich eine Wasserleitung, als jene noch bewohnt wurde; jetzt aber hat der Göttliche Cäsar sie, weil sie mit den Königen zusammenhielt, im Kriege gegen Alexandreia verödet; jedoch wohnen noch einige Seeleute am Thurme. Der Grosse Hafen nun ist ausser dem Vorzuge, sowohl durch den Damm als die Natur gut geschlossen zu sein, nicht nur jähtief, so dass das grösste Schif an die Bollwerkstreppe anlegen kann, sondern auch in mehrere Häfen geschieden. Aber die früheren Könige der Aigyptier, zufrieden mit dem, was sie hatten, und eingeführter Güter nicht eben bedürftig, auch gegen alle Heranschiffenden feindselig gesinnt, vorzüglich gegen die Hellenen (denn Diese waren Plünderer! und bei Dürftigkeit nach fremdem Lande begierig), besetzten diesen Ort mit Wache, zugleich befehlend, alle Ankömmlinge zurückzuweisen; zum Wohnorte aber gaben sie den Wächtern die so genannte Rhakotis, welche jetzt der über den Schiffslagern liegende Theil der Stadt Alexandreia ist, damals aber ein Flecken war; die Umgegend des Fleckens übergaben sie den Rinderhirten, welche gleichfalls die von auswärts Ankommenden abzuwehren vermochten. Als aber Alexandros hinkam und die glückliche Lage erkannte, beschloss er am Hafen eine Stadt anzubauen. Man erzählt auch ein beim Grundrisse des Anbaues erfolgtes Vorzeichen des nachher der Stadt gewordenen Glückes. Als nämlich die Baumeister die Umfangslinie mit weisser Erde bezeichneten, und der König hinkam, als die Erde schon fehlte, so lieferten die Mühlverwalter einen Theil des für die Arbeiter angeschafften Mähls, durch welches auch die Gassen in mehrere Theile zerschnitten wurden. Dieses nun deuteten sie, wie man erzählt, auf glücklichen Erfolg.

§. 7.

Glückliche Lage Alexandriens an zwei Gewässern und in Nähe vieler Kanäle für Handelsverkehr, dessen Uebergewicht zu ihrem Vortheil fällt. Auch ist die Luft gesunder und weniger heiss, als höher am Nil.

Ihre glückliche Lage aber ist vielseitig. Denn der Ort wird von zwei Meeren umspült, einerseits gegen Norden vom Aigyptischen, andererseits gegen Süden vom Sumpfsee Mareia, welcher auch Mareotis heisst. Diesen füllt der Neilos vermittelst vieler Kanäle sowohl von oben als seitwärts, auf welchen auch die Einfuhr viel stärker ist, als jene über Meer, so dass der Sumpfhafen reicher war, als der Seehafen; hier aber ist die Ausfuhr von Alexandreia stärker, als die Einfuhr. Dieses wird Jeder wissen, welcher sowohl in Alexandreia als in Dikaiarchia war, und die Frachtschiffe sowohl beim Einlaufen als beim Abgange beobachtete, wieviel schwerer und leichter sie hierher und dorthin fuhren. Ausser dem Reichthume aber der beiderseits, sowohl in den Meerhafen als den Sumpfhafen, eingeführten Waaren ist auch die Luftmilde bemerkenswerth, welche gleichfalls aus der doppelten Bespülung und des Neilos heilsamer Ueberschwemmung erfolgt. Denn andere an Seen erbauete Städte haben in der Hitze des Sommers schwere und erstickende Luft, weil an den Rändern zufolge der durch Sonnenhitze verursachten Ausdünstungen die Seen Moräste bilden. Indem nun so viele kothige Feuchtigkeit aufsteigt, wird eine verdorbene Luft eingeathmet, welche ansteckende Krankheiten verursacht. Zu Alexandreia hingegen füllt der mit beginnendem Sommer gefüllte Neilos auch den Sumpfsee, und lässt keine Moräste entstehen, welche schädlichen Ausdunst geben könnten. Zugleich wehen dann auch die Jahrszeitwinde, so; dass die Alexandrier den Sommer sehr angenehm verleben.

§. 8.

Einzelne Merkwürdigkeiten der Stadt selbst; ihre Grösse, Strassen, königlichen Gebäude, unter welchen namentlich das Museum und die Todtengruft beschrieben werden.

Die Gestalt des Bodens der Stadt ist mantelähnlich; seine Längenseiten sind die bespülten, im Durchmesser etwa dreissig Stadien haltenden, die Breitenseiten hingegen die einerseits vom Meere, andrerseits vom Seesumpfe eingefassten Landengen, jeder auf sieben oder acht Stadien. Zwar ist die ganze Stadt mit für Reiter und Wagenfahrer bequemen Strassen durchschnitten, zwei aber, auf mehr denn hundert Fuss geöffnete, sind die breitesten, welche einander unter rechten Winkeln in zwei zerschneiden. Die Stadt enthält die schönsten öffentlichen Weihthümer, und die königlichen Palläste, welche den vierten oder sogar dritten Theil des ganzen Umfangs füllen. Denn wie jeder der Könige den öffentlichen Prachtgebäuden aus Verschönerungslust neue Zierden hinzufügte, so bauete jeder auch für sich einen Pallast den schon vorhandenen hinzu, so dass jetzt des Dichters Ausspruch anwendbar ist: "Andres aus Anderem wird" ; alle jedoch zusammenhängend sowohl mit einander als mit dem Hafen, auch mit allen ausserhalb desselben. Ein Theil der Königsgebäude ist auch das Museion, welches eine Wandelbahn , eine Sitzhalle und einen grossen Bau enthält, worin der Speisesaal der am Museion angestellten Gelehrten ist. Dieser Männerverein hat auch gemeinschaftliche Einkünfte und einen dem Museion damals von den Königen, jetzt von Cäsar vorgesetzten Priester. Ein anderer Theil der Königsgebäude ist das so genannte Soma, eine Umfassung, innerhalb welcher die Grabgrüfte der Könige und des Alexandros sind. Denn Ptolemaios, des Lagos Sohn, hatte den Leichnam dem Perdikkas zuvorkommend weggenommen, welcher ihn von Babylon brachte, und aus Habsucht und Erwerblust zu Aigyptos sich dorthin wandte. Sogar verlor er von seinem Heervolke getödtet das Leben, als Ptolemaios hinkam, und ihn auf einer öden Insel einschloss. Jener also starb, von Makedonischen Lanzen durchbohrt, da sein Heervolk gegen ihn aufstand; aber die mit ihm gekommenen Könige, Aridaios und des Alexandros Söhne, und desselben Gattin Rhoxane, schiffeten weg nach Makedonia. Alexandros Leichnam aber brachte Ptolemaios nach Alexandreia, und bestattete ihn da, wo er noch jetzt liegt, jedoch nicht in demselben Sarge; denn der jetzige ist gläsern, Jener aber legte ihn in einen goldenen. Diesen raubte Ptolemaios, Kokkes zubenamt und Pareisaktos, welcher aus Syria hinkam, aber bald vertrieben wurde, so dass der Raub ihm nutzlos blieb.

§. 9.

Einfahrt in den Grossen Hafen; in demselben die Insel Antirrhodos und der gegrabene Königshafen, und um ihn einige merkwürdige Plätze und Gebäude.

Vor dem Grossen Hafen ist neben der Einfahrt zur Rechten die Insel und der Thurm Pharos ; zur andern Hand die Klippenriffe und die Landspitze Lochias mit einem Königsschlosse. Dem Einschiffenden zur Linken sind die mit jenen auf Lochias zusammenhängenden inneren Königshäuser, welche viele und verschiedenartige Wohnsäle und Gartenhaine haben; unter diesen liegt der den Königen eigenthümliche gegrabene und verschlossene Hafen, und Antirrhodos, ein dem gegrabenen Hafen vorliegendes Inselchen mit einem Königshause und kleinem Hafen. Man nannte es so, gleichsam als Gegenbuhlin mit Rhodos. Ueber ihm liegt das Schauspielhaus; dann das Poseidion, eine vom so genannten Emporion oder Handelsmarkte vorlaufende mit einem Tempel Poseidons besetzte Erdkrümme, welcher Antonius einen noch mehr gegen des Hafens Mitte vorragenden Damm anfügte, und auf dem Ende ein königliches Wohnhaus errichtete, welches er das Timonion nannte. Dieses war sein letztes Werk, als er nach der Unglücksschlacht bei Aktion von seinen Freunden verlassen nach Alexandreia überfuhr, und für sein übriges Leben ein Timonsleben wählte, welches der so vieler Freunde Beraubte zu führen gedachte. Dann folgt das Kaisarion oder Cäsarstempel, der Handelsmarkt und die Waarenlager; nach diesen die Schiflager bis zum Heptastadion. Dies sind die Umgebungen des Grossen Hafens.

§. 10.

Westliche Häfen am Heptastadium; Kanal zur Mareotis; die Vorstadt Nekropolis; mehre Tempel und heilige Plätze; das Paneum; die Nebenstadt Nikopolis, wo Augustus den Antonius zuletzt besiegte.

Nach dem Heptastadion folgt unmittelbar der Hafen Ennostu, und über diesem der gegrabene, auch Kibotos, der Kasten, genannt, welcher gleichfalls Schiflager hat. Aus seinem inneren erstreckt sich ein schifbarer Kanal zum Seesumpfe Mareotis. Jenseit des Kanals liegt zuerst noch Weniges von der Stadt. Dann die Vorstadt Nekropolis , d. i. Todtenstadt, in welcher viele Gärten, Begräbnisse und zum Einbalsamiren der Todten eingerichtete Herbergen sind. Diesseit des Kanals ist sowohl das Sarapion, als auch andere alte wegen der in Nekropolis erbaueten neuen fast verlassene Weihthümer; denn dort ist eine Doppelbühne und Kampfbahn, und die fünfjährlichen Wettkämpfe werden dort gefeiert; das Alte aber wird wenig geachtet. Um kurz zu reden, die Stadt ist gefüllt mit Prachtgebäuden und Tempeln; das schönste aber ist der Uebungsplatz mit Hallen, grösser als ein Stadion, in der Mitte; ihm anliegend folgen das Gerichtshaus und die Wandelhaine. Hier ist auch das Paneion, eine von Menschenhand gemachte, kreiselförmige, einem felsigen Hügel ähnliche Anhöhe, zu welcher ein Schneckengang hinaufführt. Vom Gipfel kann man die ganze rings umliegende Stadt überschauen. Von der Nekropolis erstreckt sich die Längenstrasse dem Uebungsplatze vorbei bis zum Kanobischen Thore; dann folgt der Hippodromos oder die Rennbahn, und die übrigen nebenliegenden Strassen bis zum Kanobischen Kanale. Hat man den Hippodromos durchwandert, so folgt Nikopolis oder die Siegesstadt, ein Wohnort am Meere, nicht kleiner als eine Stadt, bei dreissig Stadien von Alexandreia. Diesen Ort ehrte Cäsar Augustus, weil er hier die mit Antonius sich ihm Widersetzenden in einer Schlacht besiegte. Nachdem er dann die Stadt mit Anlauf genommen hatte, zwang er Antonius sich selbst zu entleiben, Kleopatra aber, sich ihm lebendig zu überliefern; bald hernach aber entleibte auch sie sich heimlich im Gefängnisse durch den Biss einer Schlange, oder (denn man erzählt Beides) durch aufgelegtes Giftpflaster. Und so war die viele Jahre bestandene Herrschaft der Lagiden vernichtet.

 
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