§. 46.

Thebä oder Diospolis, vormals gross und berühmt. Die tönende Memnonssäule, Gräber der Könige, Obelisken, gelehrte Priester, welche auch das Sonnenjahr berechnen.

Nach der Stadt Apollons Thebai; jetzt heisst sie Diospolis, des Zeus Stadt. "Hundertpfortig ist Thebai, und wohl zweihundert der Männer Wandern aus jeglicher Pforte zusammt mit Rossen und Wagen". So spricht Homeros; er erwähnt auch ihres Reichthums: "auch nicht, was gen Thebai, Jenem Aigyptischen, geht, wo so viel Gut liegt in den Häusern." So sprechen auch Andere, und setzen Thebai als Hauptstadt in Aigyptos. Noch jetzt zeigen sich ihrer Grösse Spuren auf achtzig Stadien in Länge. Auch sind dort viele Tempel; aber auch diese hat Kambyses grösstentheils verstümmelt. Jetzt ist sie fleckenweise bewohnt; ein Theil liegt in Arabia, wo die eigentliche Stadt ist, ein anderer auch am Gegenufer, wo das Memnoneion. Von zwei hier einander nahe stehenden einsteinigen Riesenbildern ist das eine erhalten, vom andern sind bei einem Erdbeben, wie man sagt, die oberen Theile vom Sitze an abgefallen. Geglaubt wird, dass einmal an jedem Tage von dem auf dem Stuhle und Grundgestell verbliebenen Theile ein Ton, wie eines nicht starken Anschlages, ausgehe. Auch ich, der mit Aelius Gallus und vielen ihn begleitenden Freunden und Kriegern am Orte war, hörte den Ton um die erste Stunde; ob aber aus dem Grundgestell, oder aus dem Standbilde, oder ob einer der umher und um das Grundgestell Stehenden absichtlich den Ton bewirkte, kann ich nicht entscheiden; denn bei Unbekanntheit der Ursache kommt mir Alles viel glaublicher vor, als dass der Laut aus den so geordneten Steinen ausgesendet werde. Ueber dem Memnoneion sind gegen vierzig in Felsgrotten ausgehauene Todtengrüfte der Könige, wundervoll ausgebaut und der Beschauung würdig. Auf einigen Spitzsäulen in diesen Todtengrüften zeigen Inschriften den Reichthum der damaligen Könige, ihre bis zu den Skythen, Baktriern, Indern und zum jetzigen Ionia ausgebreitete Herrschaft, ihrer Einkünfte Menge und ihrer Heerschar von hundert Myriaden. Die dortigen Priester vorzüglich werden als Sternkundige und Weltweise gerühmt. Ihnen eigenthümlich ist es auch, die Tage nicht nach dem Monde zu berechnen, sondern nach der Sonne, indem sie den zwölf dreissigtägigen Monaten fünf Tage in jedem Jahre zusetzen, und zur Ausfüllung des ganzen Jahres, weil ein gewisser Theil des Tages überschiesst, einen Zeitkreis aus ganzen Tagen und aus so vielen ganzen Jahren bilden, als die überschüssigen Theile zusammengenommen einen Tag ausmachen. Alle Weisheit solcher Art leiten sie von Hermes ab. Dem Zeus aber, welchen sie vorzüglich verehren, wird die schönste Jungfrau des edelsten Geschlechts zur Priesterin bestellt, dergleichen die Hellenen Pallades, d. i. Jungfrauen, benamen. Diese aber ist auch Buhlin, welche beiwohnt wem sie will, bis die natürliche Reinigung ihres Leibes eintrit. Nach der Reinigung wird sie einem Manne gegeben; ehe sie aber hingegeben wird, feiert man nach Beendigung der Buhlzeit ihre Betraurung.

§. 47.

Noch einige Orte des oberen Aegyptens zwischen Theben und Syene.

Nach Thebai die Stadt Hermonthis, in welcher sowohl Apollon verehrt wird, als Zeus; auch hier wird ein heiliger Stier unterhalten. Dann Krokodeilonpolis, die Stadt der Krokodile, welche dieses Thier verehrt; dann Aphrodite's Stadt, und nach Dieser Latopolis , wo man Athena und den Latos verehrt. Ferner Eileithyia's Stadt und Tempel, und am Gegenufer Hierakonpolis oder Sperberstadt, welche den hierax oder Sperber verehrt; zuletzt Apollonopolis, gleichfalls die Krokodile bekriegend.

§. 48.

Die Stadt Syene und Insel Elephantine; auf Dieser ein Nilmesser, in Jener ein schattenloser Brunnen, weil sie unter dem Wendekreise liegt.

Dann Syene und Elephantine; jene auf den Grenzen Aithiopiens und Stadt in Aigyptos, diese eine im Neilos ein halbes Stadion vor Syene liegende Insel, und auf ihr eine Stadt, welche einen Tempel des Knuphis hat, und ein Neilosmaass, wie Memphis. Dies Neilosmaass ist ein an des Neilos Ufer aus gleichmässigem Quaderstein gebaueter Brunnen, in welchem man die Anschwellungen des Stromes bezeichnet, sowohl die grössten als die kleinsten und mittleren; denn das Wasser im Brunnen steigt und fällt mit dem Strome. An der Wand des Brunnens nun sind Merkzeichen, die Maasse vollkommener und aller andern Anschwellungen. Diese beachtet man, und macht sie Allen bekannt zur Nachricht; denn aus solchen Zeichen und den Tagen erkennt und verkündigt man lange zuvor die künftige Anschwellung. Dieses aber ist sowohl den Landbauern nützlich hinsichtlich der Wasserbenutzung, der Seitendämme, der Kanäle und dergleichen anderer Geschäfte, als auch den Statthaltern hinsichtlich der Staatseinkünfte; denn grössere Anschwellungen versprechen auch grössere Einkünfte. In Syene ist auch der Brunnen, welcher die sommerliche Sonnenwende anzeigt, weil diese Orte dem Wendekreise unterliegen, und die Schattenzeiger am Mittage schattenlos machen. Denn geben wir aus unsern Gegenden, ich meine die Helladischen, weiter gegen Süden, so steht uns zuerst hier die Sonne im Scheitel, und macht die Schattenzeiger am Mittage schattenlos; steht sie uns aber im Scheitel, so muss sie auch in die Brunnen, so tief sie seien, ihre Stralen bis aufs Wasser werfen; denn nach senkrechter Linie, in welcher wir stehen, sind auch der Brunnen Graben eingerichtet. Uebrigens sind drei Rottenscharen der Romaner dorthin gelegt zur Bewachung.

§. 49.

Der kleine Nilfall. Die Insel und Stadt Philä, äusserste Südgrenze Aegyptens, wo der Aethiopische Sperber verehrt wird.

Wenig über Elephantine ist der kleine Katarrhaktes oder Wassersturz, auf welchem die Kahnfahrer den Statthaltern auch ein Schauspiel darstellen. Der Wassersturz nämlich ist inmitten des Stromes, eine felsige Randhöhe, oben flach, so dass sie den Strom zulässt, und in einen Abhang endend, von welchem das Wasser hinabstürzt; beiderseits am Lande ein Flusslauf, welcher auch leichte Hinauffahrt hat. Auf diesem nun hinaufgefahren, treiben sie zum Wassersturze abwärts, gleiten mit dem Kahne über den Abhang, und bleiben mitsammt dem Kahne unbeschädigt. Wenig oberhalb des Wassersturzes liegt Philai, ein gemeinschaftlicher Wohnort für Aithiopen und Aigyptier, gebauet wie Elephantine, und auch in Grösse gleich, mit Aigyptischen Tempeln. Hier wird auch ein Vogel verehrt, welchen sie zwar Sperber nennen, mir aber schien er mit den Sperbern bei uns und in Aigyptos nichts Aehnliches zu haben; denn er war sowohl grösser, als auch durch buntes Gefieder sehr abweichend. Sie sagten auch, er sei ein Aithiopischer Vogel, und werde von dort hergebracht wann sein Vorfahr gestorben sei; und eben damals war der uns gezeigte durch Krankheit dem Sterben nahe.

§. 50.

Strabons Reise von Syene nach Philä zu Lande. Basaltsteine am Wege.

Nach Philai kamen wir von Syene zu Wagen durch eine sehr flache Ebene von ungefähr fünfzig Stadien. Am ganzen Wege beiderseits und vielerwärts sahen wir Hermesthürmen gleichende, hohe, rundliche, ziemlich glatte, beinahe kugelförmige Felsenstücke des schwarzen und harten Gesteins, woraus die Mörser sind, das kleinere auf dem grösseren liegend, und auf jenem wieder ein anderes; hin und wieder lagen auch einzelne Steine für sich. Der grösste hielt im Durchmesser nicht weniger, als zwölf Fuss, alle aber mehr; als hiervon die Hälfte. Wir fahren zur Insel hinüber in einem pakton oder Flosskahn; solcher Flosskahn ist ein aus Rundstöcken zusammengefügter Nachen, so dass er einem Flechtwerke ähnelt. Stehend im Wasser, oder auch seitwärts auf kleinen Brettern sitzend, fuhren wir leicht und ohne Furcht hinüber; denn es hat keine Gefahr, wenn man das Fahrzeug nicht überladet.

 
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