§. 41- 42.

Einige Orte in Thebais, von Hermopolis bis Ptolemais und Abydus, wo ein berühmtes Memnonium. Beiläufige Erwähnung der neben Aegypten liegenden drei Oasen.

§. 41.

Zunächst folgt die Hermopolitische Phylake oder Grenzwache, ein Zollamt für die aus Thebäis herabkommenden Waaren. Hier ist der Anfang der sechszig Stadien haltenden Schoinen bis Syene und Elephantine. Dann die Thebäische Phylake oder Grenzwache und der nach Tanis führende Kanal; dann Lykonpolis, Aphrodite's Stadt und Panonpolis, ein alter Wohnort der Leinwandweber und Steinhauer.

§. 42.

Weiter dann die Stadt Ptolemais, die grösste aller in Thebäis, und nicht kleiner als Memphis. Sie hat eine in Hellenischer Weise eingerichtete Staatsverfassung. Ueber ihr Abydos, wo das Memnoneion, ein wundervoll gebauter Königspallast, ganz aus Stein in derselben Bauart, in welcher wir den Labyrinthos darstellten, jedoch nicht so vielfach. Es hat auch eine in Tiefe liegende Quelle, zu welcher man durch niedergebogene, einsteinige, und in Grösse und Bauart ausgezeichnete Gewölbdecken hinabsteigt. Zu diesem Orte führt ein Kanal aus dem grossen Strome. Um diesen Kanal ist ein dem Apollon heiliger Hain Aigyptischer Dornacacien. Abydos scheint einst eine grosse Stadt gewesen zu sein, die zweite nach Thebai; jetzt ist sie ein kleiner Wohnort. Wenn übrigens, wie man behauptet, Memnon bei den Aigyptiern Ismandes heisst, so wäre auch der Labyrinthos ein Memnoneion, und desselben Künstlers Werk, dessen auch jene in Abydos und Thebai sind; denn auch dort erwähnt man gewisser Memnoneien. Seitwärts von Abydos liegt die erste der drei in Libye bekannten Auasen, sieben Tagesreisen durch Wüste von dort entfernt; ein wohlbewässertes und weinreiches, auch mit andern Erzeugnissen begabtes Wohnland; die zweite ist jene seitswärts vom See des Moiris; die dritte jene um das Orakel im Tempel Ammons. Auch Diese sind beträchtliche Wohnländer.

§. 43.

Beiläufige Nachrichten von dem vormals berühmten, jetzt hingegen gleich allen Orakeln wenig geachteten, Orakel Ammons, besondere des Kallisthenes Erzählung von Alexanders Zuge dorthin, und den dazu gehörigen Fabelsagen.

Nachdem wir schon Manches vom Ammon gesagt haben, wollen wir noch Folgendes hinzufügen. Bei den Alten waren, wie die Wahrsagerei überhaupt, so besonders die Orakel mehr geehrt; jetzt drückt sie grosse Geringschätzung nieder, da die Romaner sich mit den Orakeln Sibylla´s und den Tyrrhenischen Weissagungen, sowohl durch Eingeweide als Vogeldeutung und Himmelszeichen, begnügen. Daher ist auch das Orakel im Ammonstempel fast schon eingegangen, war aber vormals hochgeehrt. Vorzüglich beweisen solches die Schriftsteller über Alexandros Thaten, welche zwar auch viel Gebilde der Schmeichelei einmischen, jedoch auch manches Glaubwürdige beurkunden. So erzählt Kallisthenes, Alexandros sei vorzüglich durch Ruhmsucht bewogen, zum Orakel zu geben, weil er hörte, das auch Perseus und Herakles einst hinaufgezogen waren. Ausgegangen von Paraitonion, sei er, wiewohl von Südwinden überfallen, dennoch vorgedrungen, und unter Staubsande verirrt, durch eintretende Regengüsse und zwei den Weg führende Raben gerettet worden. Schon Dieses ist schmeichlerisch gesprochen; aber auch das Folgende ist solcher Art. Denn dem Könige allein habe der Priester erlaubt, in den Tempel einzutreten in gewöhnlicher Bekleidung, den Uebrigen aber befohlen, den Anzug zu wechseln, und die Orakelsprüche draussen anzuhören, Alle ausser Alexandros ; Dieser aber sollte im Tempel sein. Auch geschahen die Aussprüche nicht, wie zu Delphoi und bei den Branchiden, durch Worte, sondern grösstentheils durch Winke und Zeichen, wie bei Homeros: "So spricht, ihr zuwinkend mit schwärzlichen Braunen, Kronion", indem der Weissager Zeus nachahme. Nur Dieses habe der Mann dem Könige ausdrücklich gesagt, dass er Zeus Sohn sei. Dieser Erzählung fügt Kallisthenes gleichsam als Dichter noch hinzu, dass, als Apollon das Orakel bei den Brauchiden verlassen hatte, seitdem von den unter Xerxes Persisch gesinnten Branchiden der Tempel ausgeraubt und auch die Quelle versiegt war, damals nicht nur diese Quelle wieder sprudelte, sondern auch Gesandte der Milesier viele Orakelsprüche nach Memphis brachten über Alexandros Erzeugung durch Zeus, über den künftigen Sieg bei Arbela, über Dareios Tod und die Empörungen in Lakedaimon. Seine hohe Abkunft habe auch die Erythraiische Athenais ausgesprochen; denn auch Diese sei der alten Erythraiischen Sibylla gleich gewesen. Solcher Art sind die Erzählungen der Geschichtenschreiber.

§. 44.

Der Osirisdienst zu Abydus. Diospolis und Tentyra. Feindschaft der Tentyriten gegen den Krokodil, von welchem sie, vielleicht zufolge geheimer Kraft, nicht beschädigt werden.

In Abydos verehren sie den Osiris. Es ist aber nicht erlaubt, dass in des Osiris Tempel ein Sänger oder Flötenbläser oder Zitherspieler dem Gotte ein Vorspiel mache, wie den andern Göttern Gebrauch ist. Nach Abydus folgt Diospolis die Kleine, dann die Stadt Tentyra. Hier wird vorzugsweise vor allen andern Aigyptiern der Krokodil verabscheut, und für das verhassteste aller Thiere geachtet. Denn die Andern, wiewohl des Thieres Bosheit kennend, und wie verderblich es dem menschlichen Geschlechte ist, verehren es dennoch und enthalten sich sein; Diese hingegen verfolgen die Krokodile auf alle Weise und vertilgen sie. Einige behaupten, wie die Psyller neben Kyrenaia eine gewisse natürliche Gegenkraft gegen die Schlangen haben, so auch die Tentyriten gegen die Krokodile, so dass sie nichts von ihnen erleiden, sondern furchtlos unter ihnen schwimmen und hinübersetzen, was kein Anderer wagt. Mit einigen zur Schauzeigung nach Rome gebrachten Krokodilen waren auch Tentyriten mitgekommen. Als nun ein Wasserteich und auf einer der Seiten ein Gerüst eingerichtet war, damit die dem Wasser entstiegenen Thiere einen Sonnenplatz hätten, so waren es Jene, welche bald, selbst zugleich ins Wasser steigend, mit einem Netze sie auf den Sonnenplatz herauszogen, damit sie auch von den Zuschauern gesehen würden, bald wieder in den Wasserteich hinabzogen. Die Tentyriten verehren Aphrodite. Hinter Aphrodite's Tempel aber ist der Isis Tempel. Dann die so genannten Typhonien, und der Kanal nach Koptos , einer gemeinschaftlichen Stadt der Aigyptier und Araben.

§. 45.

Landenge zwischen dem Nil und Rothen Meere, einerseits zwischen Koptos und Klein-Apollonopolis, andrerseits zwischen Myos-hormos und Berenike. Grosser Handelsweg von Koptos nach Berenike. Neben Koptos am Meere der berühmte Handelshafen Myos-hormus.

Mit Koptos beginnt die Landenge gegen das Rothe Meer bei Berenike, einer zwar hafenlosen, aber wegen der Wohlgelegenheit der Landenge bedürfnissmässige Herbergen darbietenden Stadt. Philadelphos soll zuerst mit seinem Kriegsvolke diesen an sich wasserlosen Weg durchgebahnt, und den sowohl zu Fuss als mit Kamelen reisenden Kaufleuten bequeme Einkehrorte eingerichtet haben. Dieses that er wegen der schwierigen Beschiffung des Rothen Meeres, besonders für die aus dem Winkel Abfahrenden. Die Erfahrung erprobte den grossen Nutzen, und noch jetzt wird alle Indische und Arabische Waare, wie auch die auf dem Arabischen Busen hinabgehende Aithiopische, nach Koptos gebracht; denn hier ist die Niederlage solcher Waaren. Nicht weit von Berenike liegt die Stadt Myos-hormos, d. i. Mausehafen, welche für die Seefahrenden einen Schifstand hat; und von Koptos nicht weit entfernt ist die so genannte Stadt Apollons, so dass zwei die Landenge begrenzende Städte an beiden Seiten sind. Aber jetzt sind Koptos und Myos-hormos berühmter, und dieser Orte bedienen sich Alle. Vormals wanderten die Kamelfahrer nur des Nachts, nach den Sternen schauend, und reiseten, wie die Schiffenden, auch Wasser mit sich führend; jetzt hingegen sind auch zu grosser Tiefe ausgegrabene Wasserbrunnen eingerichtet; auch für das Regenwasser, wenngleich es selten ist, sind dennoch Gruben gemacht. Der Weg beträgt sechs oder sieben Tagesreisen. Auf dieser Landenge sind auch die Steinbrüche des Smaragdes und anderer kostbaren Steine, für welche die Araben tiefe Hohlgänge graben.

 
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