§. 31.

Memphis mit dem Apis. Beschreibung des Apistempels.

Nahe ist auch Memphis selbst, der Aigyptier Königssitz; denn vom Delta bis zu ihr sind drei Schoinen. Sie enthält zuvörderst den Tempel des Apis, welcher derselbe ist, als Osiris. Hier wird der, wie ich sagte, als Gott geachtete Stier Apis in einer Tempelzelle unterhalten, weiss an der Stirn und einigen andern kleinen Stellen des Leibes, übrigens schwarz. Nach diesen Zeichen wählen sie stets den zur Nachfolge tauglichen, wenn der die Würde bekleidende gestorben ist. An der Tempelzelle ist ein vorliegender Hof, an welchem eine andere Zelle ist für des Stieres Mutter. In diesen Hof lassen sie zur bestimmten Stunde den Apis hinaus, besonders zur Darstellung für die Fremden. Diese sehen ihn zwar auch durch ein Fenster in der Zelle, wollen ihn aber auch draussen sehen. Ist er dann im Hofe kurze Zeit umhergesprungen, so führen sie ihn wieder in seine Wohnung zurück. Dieser Tempel des Apis steht neben dem Hephaisteion, und dieser Hephaistostempel ist gleichfalls ein prachtvolles Gebäude, sowohl durch des Tempels Grösse, wie durch alles Uebrige. Vor ihm steht auf der Vorbahn ein einsteiniges Riesenstandbild. Auch ist es Gebrauch, auf dieser Vorbahn Stierkämpfe anzustellen, wozu Einige absichtlich Stiere unterhalten gleich den Rossezüchtern. Kaum losgelassen stürzen sie in den Kampf; der als Sieger anerkannte empfängt einen Preis. Auch ein Tempel Aphrodites, welche als Hellenische Gottheit betrachtet wird, ist in Memphis ; Einige aber sagen, es sei ein Tempel Selene's.

§. 32.

Der Serapistempel und die alten Königspalläste zu Memphis.

Auch ein Serapistempel ist daselbst in einem sehr sandigen Orte, so dass vom Winde Sandhügel aufgehäuft werden, von welchen wir die Sphinxe theils bis zum Kopfe verschüttet, theils halb sichtbar erblickten, woraus man die Gefahr entnehmen konnte, wenn den zum Tempel Gehenden ein Windstoss überfiele. Memphis ist eine grosse und volkreiche Stadt, die zweite nach Alexandreia, von Mischvolke gleich dem dortigen zusammengesiedelt. Auch liegen Seen vor der Stadt und den Königspallästen, welche jetzt zerstört und verödet sind. Auf einer Höhe erbaut reichen sie bis zum niedern Boden der Stadt, wo diesen ein Hain und See berührt.

§. 33.

Beschreibung der Pyramiden bei Memphis, nebst Fabelsagen über die dritte.

Vierzig Stadien von der Stadt vorschreitend trifft man eine bergige Höhe, auf welcher viele Pyramiden stehen, Begräbnisse der Könige. Drei verdienen besonderer Erwähnung; zwei von Diesen werden sogar den sieben Wunderwerken beigezählt. Sie halten ein Stadion in Höhe bei viereckiger Gestalt, und die Höhe ist wenig grösser, als jede Seite. Wenig grösser ist auch die eine, als die andere. Jene hat in mässiger Höhe [einer] der Seiten einen ausnehmbaren Stein; wird dieser ausgehoben, so führt ein gekrümmter Hohlgang zur Todtengruft. Diese Pyramiden nun stehen einander nahe auf derselben Fläche; entfernter steht auf grösserer Höhe der Bergfläche die dritte viel kleinere, als jene beiden, ist aber mit viel grösseren Kosten aufgeführt. Denn von der Grundlage bis fast zur Mitte besteht sie aus jenem schwarzen Gestein, woraus man auch die Mörser macht, weither ihn holend. Denn von Aithiopiens Gebirgen her, und durch seine Härte und Bearbeitung machte er das Bauwerk kostbar. Man behauptet, sie sei das von den Liebhabern errichtete Grabmal einer Buhlin, welche die Liederdichterin Sappho Doricha nennt, und Geliebte ihres Bruders Charaxos, welcher Lesbischen Wein zum Verkauf nach Naukratis brachte. Andere nennen sie Rhodopis, und fabeln, dass, als sie badete, ein Adler einen ihrer Schuhe der Dienerin entriss und nach Memphis trug, und dem im Freien Recht sprechenden Könige, über seinem Haupte schwebend, den Schuh in den Schoss warf. Der König, sowohl die Niedlichkeit des Schuhes als das sonderbare Begebniss bewundernd, sandte umher im Lande zur Erforschung der diesen Schuh tragenden Frau. Endlich aufgefunden in der Stadt der Naukratiten und hergeholt, wurde sie des Königs Gattin, und empfing gestorben das erwähnte Grabmal.

§. 34.

Die schwer zu erklärenden Linsensteine vor den Pyramiden. Fabelsage von Trojanern in Arabien.

Eine der an den Pyramiden von mir gesehenen Sonderbarkeiten darf ich nicht übergehen. Nämlich vor den Pyramiden liegen einige Haufen Abfall vom Steinbehau. In diesen finden sich an Gestalt und Grösse linsenähnliche Späne; [in] einige begegnen auch gleichsam Graupen, wie von halbenthülseten Körnern. Man hält sie für versteinte Ueberbleibe von der Speise der Arbeiter. Dieses aber ist nicht wahrscheinlich. Denn auch zu Hause bei uns ist in einer Ebene ein länglicher Hügel; dieser ist bedeckt mit linsenähnlichen Stückchen Tufsteins. Auch die Meer- und Flusssteinchen zeigen fast dieselbe Ungewissheit; doch finden Diese in der Bewegung durch die Strömung einige Aufklärung, dort aber ist die Untersuchung ungewisser. Auch habe ich anderswo gesagt, dann bei dem den Pyramiden im Anblicke jenseits in Arabia liegenden Brüche der Steine, aus welchen die Pyramiden bestehen, ein sehr felsiger Berg der Troische heisst, und Höhlen unter ihm sind, und ein Flecken nahe bei diesen und dem Strome, des Namens Troia, ein alter Wohnort der dem Menelaos mitgefolgten und dort gebliebenen Gefangenen der Troer.

§. 35.

Weitere Beschreibung Aegyptens oberhalb Memphis. Die Stadt Akanthus, der Herakleotische und der sehr fruchtbare und ölreiche Arsinoitische Landgau mit dem See Möris, welcher vielleicht ursprünglich mit dem Meere zusammenhing, als auch Unterägypten noch Meer war.

Ueber Memphis liegt die Stadt Akanthos, gleichfalls in Libye, mit des Osiris Tempel und dem Haine der Thebaischen Dornacacie, von welcher das Gummi. Dann der Aphroditopolitische Landgau und die gleichnamige Stadt in Arabia, wo eine heilige weisse Kuh unterhalten wird. Dann der Herakleotische Landgau auf einer grossen Insel, neben welcher zur Rechten der Kanal nach Libye zum Arsinoitischen Landgau abgeht, und so, dass der Kanal zwei Mündungen hat, zwischen welche ein Theil der Insel seitwärts anfallt. Dieser Arsinoitische Landgau ist der merkwürdigste unter allen sowohl in seiner Ansicht und Trefflichkeit, als seiner Ausstattung. Denn er allein ist mit grossen und vollkommenen und fruchtschönen Oelbäumen bewachsen, und das Oel ist gut, wenn man mit Sorgfalt einsammelt; wer dieses vernachlässigt, gewinnt zwar vieles Oel, aber schlechtes im Geruch. Das übrige Aigyptos ermangelt des Oelbaums , ausgenommen die Gärten zu Alexandreia, welche zwar höchstens Oliven hervorzubringen vermögen, aber kein Oel geben. Auch nicht wenig Wein bringt jener Landgau hervor; auch Getreide, Schotenfrüchte und sehr viele andere Gewächse. Auch den wunderbaren See des Moiris enthält er, gleichsam ein Meer durch seine Grösse und meerähnliche Farbe; auch die Ufer gleichen in Ansicht den Meerufern, so dass von diesen Orten und jenen um den Ammon (denn sie sind auch nicht weit von einander und von Paraitonion entfernt) gleiche Vermuthung gilt, ob vielleicht, wie zufolge einer Menge von Beweisen jener Tempel vormals vermuthlich am Meere stand, gleicherweise auch diese Landschaft vormals am Meere lag; wie auch das Niedere Aigyptos und das Land bis zum Sirbonischen See ein vielleicht mit dem Rothen Meere bei Heroonpolis und bei dem Ailanitischen Winkel zusammenfliessendes Meer war.

 
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