§.11.

Kurze geschichtliche Uebersicht der Ptolemäischen Herrscherfamilie nach der Reihe, welche mit Kleopatra endet.

Ptolemaios nämlich, des Lagos Sohn, folgte Alexandros; Jenem Philadelphos, Diesem Euergetes, dann Philopator, derBeischläfer Agathokleia's; dann Epiphanes, dann Philometor, immer Sohn auf Vater folgend; Diesem aber folgte sein Bruder, der zweite Euergetes, auch Physkon genannt; Diesem Ptolemaios, zubenamt Lathuros; Diesem darin zu unsrer Zeit Auletes, welcher Kleopatra's Vater war. Alle aber nach dem dritten Ptolemaios haben, durch Ueppigkeit verdorben, den Staat schlecht verwaltet; am schlechtesten aber der vierte, siebente und letzte, Auletes, welcher, abgesehen von seiner übrigen Lasterhaftigkeit, den Flötenspieler machte, und mit dieser Kunst sich dermassen brüstete, dass er sich nicht schämte, in seinem Pallaste Wettkämpfe anzustellen, in welchen er mit den Gegnern wettspielend auftrat. Diesen vertrieben deshalb die Alexandrier, und da er drei Töchter hatte, deren älteste die einzige echte war, erklärten sie Diese für ihre Königin; seine beiden unmündigen Söhne aber verloren ihren damaligen Vortheil gänzlich. Zum Gemal für die erwählte Königin holten sie aus Syria einen gewissen Kybiosaktes, welcher vom Geschlecht der Syrischen Könige zu sein vorgab. Diesen aber liess die Königin, seine garstigen und gemeinen Sitten nicht ertragend, nach wenigen Tagen erdrosseln. An seine Stelle kam Archelaos, gleichfalls vorgebend, Sohn des Mithridates Enpator zu sein; er war aber Sohn jenes gegen Sulla kämpfenden, nachher jedoch von den Romanern geehrten Archelaos , und Grossvater des letzten Königs der Kappadoken zu unsrer Zeit, und Oberpriester zu Komana in Pontos. Er verweilte damals bei Gabinius, um mit Diesem gegen die Parthyaier zu ziehen, wurde aber, heimlich ihn verlassend, durch einige Freunde der Königin zugeführt und als König ausgerufen. Zur selben Zeit begünstigt Pompejus Magnus den nach Rome gekommenen Auletes, empfiehlt ihn dem Rathe und bewirkt ihm die Heimkehr, den meisten aber der gegen ihn abgeschickten Gesandten, deren hundert waren, die Hinrichtung; unter Diesen war auch der Akademiker Dion als Hauptgesandter. Der nun von Gabinius zurückgeführte Ptolemaios tödtet nicht nur den Archelaos, sondern auch seine Tochter; aber nach nicht langem Genusse der Herrschaft stirbt er an Krankheit, zwei Söhne hinterlassend und zwei Töchter, deren ältere Kleopatra war. Die Alexandrier ernannten nun zu Königen den älteren der Söhne und Kleopatra; aber die Anhänger des jungen Königs machten Aufruhr und vertrieben Kleopatra; und sie ging mit der Schwester nach Syria. Zu dieser Zeit kommt Pompejus Magnus, von Palaipharsalos fliehend, nach Pelusion und zum Berge Kasion, wo ihn des Königs Günstlinge meuchelmorden ; der hinzugekommene Cäsar aber tödtet den Jüngling, und setzt die aus der Verbannung zurückgeholte Kleopatra zurKönigin über Aigyptos; zum Mitherrscher aber erklärt er den noch übrigen sehr jungen Bruder. Nach Cäsars Ende und der Schlacht bei Philippoi ging Antonius nach Asia über und überhäufte Kleopatra mit Ehren, so dass er sie sogar für seine Gattin erklärte, und Kinder mit ihr zeugte, auch mit ihr den Aktischen Kampf unternahm und mit ihr floh, worauf der sie verfolgende Cäsar Augustus Beide vernichtete, und das misshandelte Aigyptos beruhigte.

§. 12.

Angabe der bürgerlichen und soldatischen Verwaltung Aegyptens als Römischer Provinz. Drei Volksklassen in Alexandria; verschlechterter Zustand dieser Stadt.

Jetzt ist Aigyptos ein Statthalterland, welches zwar beträchtliche Steuern entrichtet, aber von wohlgesinnten Männern, den stets hingesandten Statthaltern, verwaltet wird. Der Statthalter vertrit des Königs Stelle; unter ihm steht der die meisten Rechtsstreite entscheidende Richter; ein anderer ist der sogenannte Idiologos oder Berechner der Gefälle, welcher herrenloses Gut, und was sonst dem Staatsbeherrscher anfallen muss, wahrnimmt; Diesen sind theils mit grösseren theils mit kleineren Aemtern betraute Freigelassene und Hausverwalter Cäsars untergeordnet. Auch sind dort drei Hauptscharen Kriegsvolk, deren eine in der Stadt liegt, die andern im Lande; ausser diesen aber neun Rottenscharen der Romaner, drei in der Stadt, drei auf Aithiopiens Grenzen in Syene zur Bewachung jener Gegenden, und drei im übrigen Lande; dann noch drei gleicherweise an zweckmässigen Orten vertheilte Reiterrotten. Einheimische Obrigkeiten in der Stadt sind, zuvörderst der mit Purpur bekleidete und urväterliche Ehren geniessende Exegetes oder Deuter, welchem die Besorgung aller der Stadt nützlichen Einrichtungen obliegt; dann der Staatsschreiber und der Oberrichter; ein vierter ist der nächtliche Befehlhaber. Zwar waren diese Obrigkeiten auch unter den Königen; weil aber die Könige den Staat so schlecht verwalteten, wurde durch Ungesetzlichkeit auch der Stadt Wohlstand vernichtet. Daher verabscheut der in der Stadt gewesene Polybios den damaligen Zustand, und sagt, dass drei Menschenklassen die Stadt bewohnen, zuerst das Aigyptische und einheimische, reizbare und [nicht] bürgerlich gesinnte Volk; dann das zahlreiche und unbändige Söldnervolk ; denn zufolge alter Sitte unterhielt man Fremde, welche die Waffen führten, aber bei der Könige Nichtswürdigkeit mehr gelernt hatten zu herrschen, als zu gehorchen. Eine dritte Art waren die Alexandrier, aus gleichen Gründen gleichfalls nicht rein bürgerlich gesinnt, besser jedoch als Jene; denn wenngleich Mischlinge, waren sie doch ursprünglich Hellenen, und der Hellenen allgemeiner Sitte eingedenk. Als aber auch dieses Volk vernichtet ward, vorzüglich durch Euergetes Physkon, unter welchem Polybios nach Alexandreia kam (denn der mehrmals durch Aufruhr gefährdete Physkon überliess das Volk den Soldaten zur Ermordung), und als solche Dinge in der Stadt vorgingen, blieb wirklich noch, wie Polybios sagt, jener Ausspruch des Dichters anwendbar: Gen Aigyptos zu gehn, ein Weg so lang und gefährlich!

§. 13.

Verbesserte Verfassung und Einrichtung Aegyptens unter den Römern. Glückliche Lage Alexandriens für den Welthandel; grosse Einkünfte aus Aegypten, vorzüglich unter den Römern, und zwar besonders durch den Handel nach Arabien, Aethiopien und Indien.

So beschaffen, wenn nicht schlechter, war auch der späteren Könige Staatsverwaltung. Die Romaner verbesserten, wie man behaupten darf, das Meiste nach Möglichkeit, die Stadt so einrichtend, wie ich sagte, im Lande aber gewisse Unterbefehlhaber, so genannte Nomarchen und Ethnarchen oder Gau- und Kreisbeamten anordnend, welche die weniger wichtigen Geschäfte zu verwalten beauftragt wurden. Die glückliche Lage der Stadt aber besteht vorzüglich darin, dass dieser Ort der einzige in ganz Aigyptos für Beides wohlgeeignete ist, sowohl für den Handel über Meer wegen des trefflichen Hafens, als für jenen mit dem Lande, weil der Strom Alles bequem hinabführt, und an solchem Orte versammelt, welcher der grösste Handelsmarkt der Welt ist. Diese Vorzüge also darf man der Stadt nachrühmen. Die Einkünfte Aigyptens aber meldet Cicero in einer Rede, worin er sagt, dass von Kleopatras Vater Auletes jährlich zwölftausend und fünfhundert Talente Abgabensteuer erhoben wurden. Wen also Jener, welcher den Staat so schlecht und sorglos verwaltete, so grosse Einkünfte bezog, wie hoch muss man wohl die jetzigen anschlagen, welche mit so grosser Sorgfalt verwaltet, und durch den Indischen und Troglodytischen Handel so stark vermehrt werden? Denn früher wagten kaum zwanzig Schiffe den Arabischen Busen zu durchsegeln, so dass sie die Enge überschritten; jetzt hingegen werden sogar grosse Flotten bis gen Indike und zu den Aithiopischen Vorgebirgen ausgerüstet, von wo die kostbarste Waare nach Aigyptos gebracht und von hier wieder in die übrigen Länder versendet wird, so dass doppelte Zölle einkommen, die einen von Einfuhr, von Ausfuhr die andern; von kostbaren Waaren aber sind auch die Zölle hoch. Ausserdem hat die Stadt auch den Alleinhandel. Denn Alexandreia ist allein, oder doch grösstentheils, solcher Waaren Sammelplatz, und liefert sie den Auswärtigen. Noch mehr erkennt diese Glückslage, wer das Land durchreiset, und zuerst die vom Katabathmos beginnende Küste; denn bis dahin reicht Aigyptos. Das zunächste Land ist dann Kyrenaia und die umwohnenden Barbaren, die Marmariden.

§.14.

Beschreibung der Küste Aegyptens von Alexandria bis zum Katabathmus, und weiter bis Parätonium.

Vom Katabathmos nämlich bis Paraitonion hält bei gerader Fahrt der Weg neunhundert Stadien. Paraitonion ist eine Stadt und grosse Hafenbucht von etwa vierzig Stadien. Einige nennen die Stadt Paraitonion, Andere Ammonia. Inmitten liegen zuerst der Flecken der Aigyptier, die Landspitze Ainesisphyra und die Tynarischen Klippen, vier Inselchen mit einem Hafen; dann sofort die Landspitze Drepanon und die Insel Ainesipasta mit einem Hafen; dann der Flecken Apis, von welchem bis Paraitonion hundert Stadien, zum Ammonstempel fünf Tagesreisen sind; von Paraitonion aber [bis Alexandreia] sind etwa tausend und dreihundert Stadien. Zwischen Beiden ist zuerst eine weisserdige Landspitze, Leuke Akte oder Weisses Ufer genannt; dann der Hafen Phoinikus und der Flecken Pnigeos; dann die Insel Pedonia mit einem Hafen; dann Antiphrai, wenig entfernt vom Meere. Zwar liefert diese ganze Landschaft keinen guten Wein, und die Flaschen enthalten mehr See als Wein, welchen man den Libyschen nennt, und das gemeine Volk der Alexandrier neben dem Biere trinkt; vorzüglich aber ist Antiphrai verrufen. Dann der Hafen Deris, d. i. Fell, so genannt wegen des nahen einem Felle ähnlichen schwarzen Felsen; ihm nahe nennt man auch einen Ort Zephyrion. Dann ein anderer Hafen Leukaspis, und noch andere; dann Kynos-sema oder Hundsgrab; dann, aber nicht am Meere, Taposeiris, welches grossen Volksbesuch empfängt (ein anderes Taposeiris ) liegt ziemlich weit von Alexandreia) ; ihm nahe, und zwar am Meere, ist eine felsige Gegend, welche gleichfalls viele dort Lustfeste Feiernde in jeder Zeit des Jahrs auf nimmt; dann Plinthine und des Nikias Flecken; zuletzt die Festung Cherrhonesos, schon unweit Alexandria und der Nekropolis bei siebenzig Stadien. Der bis hierher reichende See Mareia hält in Breite mehr denn hundert und fünfzig Stadien, in Länge weniger denn dreihundert. Er enthält auch acht Inseln, und ringsum ist Alles schön bewohnt; und an weinreich sind diese Orte, dass der Mareotische Wein sogar zum Altwerden aufgefüllt wird.

§. 15.

Nachrichten von der Papierstaude und Aegyptischen Bohne.

In den Aigyptischen Sümpfen und Seen wächst die Biblos oder Papierstaude und die Aigyptische Bohne, welche die Trinkbecher gibt; Beide fast gleichhohe etwa zehnfüssige Stängelgewächse. Die Papierstaude ist ein kahler, an der Spitze einen Wollbüschel tragender Stängel; die Bohne hingegen treibt an vielen Stellen Blätter und Blüten hervor, und eine unsrer Bohne ähnliche, nur durch Grösse und Geschmack abweichende Frucht. Die Bohnengebüsche gewähren daher lieblichen Anblick und Ergötzlichkeit für diejenigen, welche darin speisen wollen; sie speisen nämlich in Barken mit Gemächern, in das Dickicht der Bohnenstauden eindringend und beschattet von den Blättern. Denn diese sind sehr gross, so dass sie auch zu Trinkgefässen und Schalen dienen; denn sie haben auch eine hierzu zweckdienliche Höhlung. Daher ist Alexandreia in den Werkstätten mit diesen Blättern angefüllt, welche man zu Gefässen benutzt; und die Landleute beziehen eine ihrer Einnahmen von diesen Blättern. So beschaffen ist die Bohne. Die Papierstande wächst zwar hier nicht häufig, weil sie nicht gebaut wird; häufig aber in den niederen Gegenden des Delta, und zwar eine schlechtere, und eine bessere für die Priester. Aber auch hier haben Manche, um ihre Einkünfte zn erhöhen, die Iudaische Schlauheit eingeführt, welche Jene bei der Dattel, vorzüglich der Nussdattel, und beim Balsam erfanden. Denn sie lassen sie nicht vielerwärts wachsen, und indem sie wegen der Seltenheit den Preis aufschlagen, vermehren sie zwar so ihre Einkünfte, vernichten aber die allgemeine Benutzung.

 
Bitte oben weiterblättern !