Teil 6
 
Karnak hatten wir uns bis zum Schluß aufgehoben. Wir waren ja 1997 nur zur Lightshow im Tempel. Im Morgengrauen fuhren wir mit der Fähre nach Luxor rüber. Viele Leute drängten sich auf dem Schiff und kletterten teilweise noch auf die Fähre, als diese bereits vom Ufer abgelegt hatte. Mit dem Taxi ging es dann nach Karnak. Es war noch angenehm kühl um diese Uhrzeit. Wir hatten einen ganzen Tag eingeplant, um für die Fotos die jeweils beste Tageszeit abzupassen. Bei den alten Ägyptern hieß der Tempel "Auserwählte der Stätten". Das scheint keineswegs übertrieben, baute man doch fast zweitausend Jahre an diesem Heiligtum. Dadurch dürfte es selbst geschulten Ägyptologen schwerfallen, auf diesem riesigen Areal immer die Übersicht zu behalten. Nachdem wir bis zum Festtempel Thutmosis´III. vorgedrungen waren, beschlossen wir erst einmal eine Pause einzulegen. Im Cafe am heiligen See arbeitete ein Cousin von Achmed. Als wir ihm einen schönen Gruß von Achmed bestellten, gab es die Getränke erst einmal umsonst. Auch das ist Ägypten.
 
 

Um die Mittagszeit wurde es plötzlich völlig leer in Karnak. Das war eine gute Gelegenheit für die Polizisten, uns hinter die Absperrungen zu lassen. Dort boten sich ein paar seltene Fotomotive. Als wir schließlich in den großen Säulensaal zurückkehrten, waren wir alleine. Außer Vogelgezwitscher war nichts zu hören. Wir setzten uns auf den Sockel einer der Säulen und ließen die Magie dieses Ortes auf uns wirken. Wann ist man schon einmal alleine in Karnak? Es war schon spät am Nachmittag, als wir Karnak verließen. Wir fuhren wieder stadteinwärts und bummelten über den Basar und kauften ein paar Kleinigkeiten. Irgendwo im Zentrum der Stadt führte uns jemand zu einem netten Restaurant am Youssif Hassan Square. Dort konnte man wirklich sehr gut und in angenehmer Umgebung etwas essen. Mit der Fähre ging es danach wieder nach Gezira auf die Westbank. Für den Abend hatte uns Achmed zu sich nach Hause eingeladen.

 
 
Er hätte uns schon viel früher eingeladen, aber im Dorf war jemand gestorben. Wir hatten uns schon mehrfach gewundert, warum so oft Frauen mit großen Schüsseln voll Essen auf dem Kopf durchs Dorf liefen. Wenn dort jemand stirbt, kommt die gesamte Familie aus Ägypten zusammen. Das können locker mal um die 400 Leute werden. Da es für die Familien unmöglich ist, alle zu verköstigen, bringt das gesamte Dorf drei Tage und zweimal täglich Essen zu der betroffenen Familie. Übrigens hatten wir die klagenden Frauen sogar vom Ballon aus gehört. Durch dieses Geräusch aufmerksam geworden, erblickten wir einen riesigen Trauerzug, der Richtung Moschee lief. Unser Heimweg von Medinet Habu ging auch immer an der Moschee vorbei, wo hunderte von Angehörigen trauerten. Deswegen mußten wir warten, bis die Festlichkeiten fast vorbei waren. Achmeds Mutter servierte uns Huhn und Reis. Das war mit Abstand das Beste, was wir in dieser Zeit in Ägypten gegessen haben. Zu unserer Verwunderung entschuldigte man sich mehrmals, da das Essen ihrer Meinung nach recht kärglich ausfiel. Davon konnte aber keine Rede sein. Die Gastfreundschaft dieser Menschen erstaunt uns immer aufs Neue. Als schließlich der Abschied kam, machte sich große Traurigkeit breit. Er lud uns noch für Silvester ein, da zum Jahreswechsel in Medinet Habu richtig was los ist. Die Fahrt zum Hotel war noch einmal ein Abenteuer. Sein Neffe, höchstens zwölf, fuhr uns mit einem Pickup über diverse Schleichwege bis zum Hotel. Unterwegs betätigte er sich noch als Taxifahrer. Das war echt der Hammer.
 
 
Im Hotel angekommen, feierten wir noch Abschied mit Gamal, einem Engländer und zwei Australiern. Das Gelage ging schließlich bis zum Morgengrauen. Am nächsten Tag schliefen wir uns aus und machten uns reisefertig. Mit der hoteleigenen Fähre setzten wir am Nachmittag nach Luxor über. Mit dem Taxi fuhren wir zum Flughafen und mußten wieder einmal Abschied nehmen vom Land am Nil.
  
Ende